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Vissza

Vorwärts in die Vergangenheit: Beobachtungen zur AT-Übersetzung der BasisBibel

BasisBibel, Stuttgart (Deutsche Bibelgesellschaft) 2021

2960 S. (Die Komfortable), 1968 S. (Die Kompakte)

Vor elf Jahren erschien zunächst die BasisBibel – Neues Testament, etwas später dann auch die Psalmen (auch kombiniert in einem Band), und die hohe Qualität dieser Übersetzungen machte Lust auf mehr. Einige der damals augenfälligen Vorzüge zeichnen auch die nun erschienene Gesamtübersetzung der BasisBibel mit AT und NT aus: modernes Design, lesefreundliche Gestaltung mit zahlreichen Erklärungen am Rand, Onlinespiegel des Bibeltextes.

Alle folgenden Bemerkungen beziehen sich ausschließlich auf die neu hinzugekommene Gesamtübersetzung des Alten Testaments.

Da ich mir kein vorschnelles Urteil anhand von Lieblingsstellen bilden wollte und aus purer Neugier, habe ich zunächst begonnen, von Anfang an zu lesen, stolperte aber rasch von einer Irritation in die nächste. Die erste Verstörung findet sich gleich in Gen 1,27. Hier wird ganz traditionell übersetzt: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild. Als Gottes Ebenbild schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.“ Da die BB für sich in Anspruch nimmt, eine kommunikative Übersetzung zu sein, ist diese traditionelle, eine dogmatische Aufladung (mit verheerender Wirkungsgeschichte) fortschreibende Übersetzung doch ziemlich überraschend. Sie ist auch nicht textgetreu (ein weiterer Anspruch der BB), denn von Mann und Frau ist im hebräischen Text gar nicht die Rede. Eine kommunikative Übersetzung dieser wichtigen Stelle hätte etwa so lauten können: Gott schuf die Menschheit nach seinem Bild. Als sein Abbild schuf er sie, die einzelnen Menschen schuf er von männlich bis weiblich. (Oder, wenn man es weniger gendertheoretisch aufgeladen möchte, das ängstigt ja viele: die einzelnen Menschen schuf er männlich und weiblich). Ab Gen 2,4b wird dann der Gottesname JHWH ganz traditionell mit Herr wiedergegeben, verblüffend in einer Bibelübersetzung, die eine „Übersetzung für das 21. Jahrhundert“ (Werbetext) sein möchte. Eine ausführliche Erklärung, warum sich die BB hier in eine bestimmte (nicht: die) jüdische Tradition stellt, wird auf S. 1950 (alle Angaben nach „Die Kompakte“) gegeben. Sie ist zweiteilig und höchst sonderbar. Zunächst wird die Herkunft dieser Tradition erläutert, die erste Begründung ist also im Kern: Das wurde schon immer so gemacht. Die zweite Begründung ist dann, dass Jesus im NT ja auch oft mit Herr angeredet würde. Der zweite Grund ist also, dass hier eine christologische Konnotation in den Text des AT eingetragen werden soll. Theologisch unbedarft ist noch das Mildeste, was mir dazu einfällt. Möglichkeiten, es besser zu machen, gäbe es viele: G’tt (auch eine jüdische Praxis), Gott, JHWH oder auch Adonaj entsprechend der hebräischen Vokalisation. Wer meint, ein unvokalisiertes Wort sei der intendierten jugendlichen Leserschaft nicht zuzumuten, irrt. Jedes Kind kann den Aufkleber FCK NZS entschlüsseln.

Gen 4,1b, Evas Ausruf nach der Geburt von Kain, ist ein anspielungsreicher und kaum zu übersetzender Satz. Sein Ende (ʾt jhwh) ist vermutlich eine Textverderbnis und die übliche Übersetzung (mit Hilfe des Herrn) nur eine an der Septuaginta orientierte Verlegenheitslösung. Evas auf Kain bezogener Satz „Ich habe einen Mann gewonnen“ ist eine volksetymologische Erklärung des Kindsnamens („Gewinn“), denn alle Figuren in der Geschichte haben sprechende Namen, die gewissermaßen das Grundgerüst der Brudermordgeschichte bilden. Die BB erklärt nun weder das Wortspiel noch übersetzt sie angemessen. Zu allem Übel wird das problematische Ende des Satzes auch noch, als frömmelnde Pointe, an die Spitze des Satzes gezogen – als hätte hier jemand abschließend geglättet ohne die geringste Kenntnis von Tiefendimension und Tücken des hebräischen Textes. Aus „Ich habe einen Mann gewonnen ʾt jhwh“ wird in der BB „Mithilfe des Herrn habe ich einen Sohn bekommen.“

Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Deutung des Lamechliedes (Gen 4,23f) als Prahllied (so auch Westermann) auf dem Hintergrund eines Völkerstereotyps eingebürgert (frei nach Wellhausen: der Orientale neigt zur Gewalttätigkeit und brüstet sich gern vor seinen Weibern). Die jüdische Tradition sieht dagegen hinter dem Lied ein einmaliges tragisches Ereignis und versteht (wie viele christliche Ausleger auch) das Perfekt des hebräischen Textes als Vergangenheitstempus. Die BB treibt die vor allem deutsche Auslegungstradition nun auf die Spitze und übersetzt (mit Westermann) präsentisch: „Lamech sagte zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört mir gut zu! / Ihr Frauen Lamechs, merkt euch meine Worte! / Ich erschlage den Mann der mich verwundet. / Ich erschlage das Kind, das mich schlägt.“ Die Übersetzung ist auch deshalb problematisch, weil sie die hebräische Präposition le, an der die ganze Deutung hängt, nicht mitübersetzt, sondern den Text vereindeutigt, letzteres eine durchgängige Tendenz der BB (vgl. z.B. auch Ex 4,24-26, wo die zahlreichen mehrdeutigen Personalpronomina zu eindeutigen Nomina aufgelöst werden).

Aus den Göttersöhnen in Gen 6,2 werden wie in anderen Bibelübersetzungen Gottessöhne, was einen der hier aufgenommenen alten Tradition widersprechenden Monotheismus in den Text einträgt (der dann in der Randerklärung wieder ausgehebelt wird).

Fünf (unterschiedlich gravierende) Irritationen in den ersten sechs Kapiteln sind eine beunruhigende Quote. Zeit also, einen Blick auf die übrigen Textgruppen des AT zu werfen um zu sehen, ob sich der Eindruck verfestigt oder vielleicht nur die Genesis schlecht übersetzt ist.

Thora: In Lev 18 werden die Verbote sozial problematischer sexueller Beziehungen gleichzeitig zu verschwommen und zu explizit übersetzt. Vers 7: „Du darfst nicht mit deiner Mutter schlafen. Das ist, als ob du mit deinem Vater schläfst.“ Der hebräische Text ist dagegen metaphorisch und bringt so zugleich die konkreten sozialen Verhältnisse zum Ausdruck: Die Blöße deines Vaters und die Blöße deiner Mutter sollst du nicht enthüllen. Die Verbote richten sich an israelitische Männer, an Geschlechtsverkehr mit dem eigenen Vater ist hier kaum gedacht, vielmehr gehört die Frau dem Mann und ihre Schändung wäre zugleich seine Schändung. Die Übersetzung der BB verwischt den Begründungszusammenhang: Sex mit Vater oder Mutter wäre ja gleich schlimm. Dass die Übersetzung nicht aufgeht, zeigt Vers 10, wo die nämliche Metapher gebraucht wird: Die Blöße der Tochter deines Sohnes … sollst du nicht enthüllen, denn deine Blöße ist es. In der Logik der BB müsste dann hier stehen: Das ist, als ob du mit dir selbst schläfst. In Vers 22 wird das Verbot von schwulem Sex (lesbischer Sex wird im AT nicht thematisiert) durch die Übersetzung seiner religiösen Konnotation beraubt, die zugleich eine für uns heutige Leserinnen und Leser notwendige Distanz schafft: Aus twʿvh (Luther: Gräuel, im Sinne von Götzendienst) wird in der Basisbibel einfach „eine abscheuliche Tat“, womit das Verbot zugleich absolut gesetzt wird. Die Erklärung am Rand ist abenteuerlich.

Geschichtsbücher: Trauriger Höhepunkt im vielleicht unschönsten biblischen Buch ist Nehemias stolzes Fazit nach seiner erfolgreichen gewaltsamen Auflösung ethnisch gemischter Ehen aus Juden und Nichtjuden: So reinigte ich sie von allem Ausländischen (Neh 13,30 LÜ). Die BB macht daraus einen Text, der weder Übersetzung ist noch Nacherzählung, er ist einfach nur falsch: „So reinigte sich das Volk von allen fremden Einflüssen.“ Der Charakter der stilisierten Autobiographie Nehemias wird hier plötzlich aufgehoben; es bleibt unklar, ob dieser Text intentional geschaffen wurde oder bloßes Versehen ist. Möglicherweise ist es einfach ein Druckfehler oder eine nachträgliche Verschlimmbesserung: „So reinigte ich das Volk …“ entspräche in etwa dem hebräischen Text.

Der Antitext zum nationalreligiösen Nehemiabuch ist das Buch Rut, in dem eine moabitische Frau mit Hilfe ihrer jüdischen Schwiegermutter durch eigene Tatkraft zu ihrem Recht kommt und zur Urgroßmutter des großen Königs David wird. In der Inhaltsübersicht der BB wird das Buch Rut zu Recht als ein Buch „zum Verlieben“ angepriesen. Wenn es dann aber im Buch Rut wirklich zur Sache geht, wird die Übersetzung der BB plötzlich merkwürdig verklemmt. Damit aus Boas für Rut der Löser und Mann werden kann, gibt Noomi Rut in Rut 3,4 einen Rat, den Rut anschließend auch befolgt: „Und sie kam leise und deckte zu seinen Füßen auf (d.h. sie rollte sein Obergewand auf, um seine Genitalien freizulegen) und legte sich hin.“ Der Rest findet sich. In der BB wird daraus: „Mitten in der Nacht wurde es Boas kalt.“ Aus Noomis Anweisung zum Aufdecken der Genitalien wird: „Gib acht, wo er sich zum Schlafen hinlegt.“ Aus der mutigen Frau, die ihr Schicksal beherzt in die eigenen Hände nimmt, wird ein passives Geschöpf, das irgendwie nur daliegt und wartet.

Überhaupt hatte das Übersetzungsteam der BB mit allem, was „untenrum“ so abgeht, offenbar seine Schwierigkeiten (im Unterschied zum Alten Testament selbst!). In einer Werbezeitung für die BB gibt es ein aufschlussreiches Interview mit der BB-Übersetzerin Tina Arnold:

Frage: Ist Ihnen etwas besonders Kniffliges oder Lustiges in Erinnerung geblieben?

Tina Arnold: Manchmal waren es ganz banale Dinge. Wir sagen zum Beispiel: Wir gehen auf die Toilette. Nun gibt es auch in der Bibel einige Stellen, wo eine Person ein größeres Geschäft machen muss und sich deswegen in eine Höhle zurückzieht, zum Beispiel bei Saul und David. Natürlich könnte man schreiben: Saul musste auf die Toilette. Aber ein Konfirmand, der das liest und den kulturellen Hintergrund nicht kennt – was stellt der sich vor? Einen gefliesten Raum mit einer Toilette, vielleicht. Das kann zu einem völlig falschen Bild führen und nicht erklären, warum Saul in eine Höhle geht. Da dann andere Begriffe zu finden, die nicht gleich in Richtung Hochsprache gehen, braucht viele Gedanken.

Also bei mir nicht. Für den Satz: „Saul musste kacken.“ brauche ich keine fünf Sekunden und kein kollektives Nachdenken. Herausgekommen (!) ist in der BB dann: „Denn er musste sich dringend erleichtern“. Als Erklärung am Rand steht dann noch sicherheitshalber: „Die Formulierung umschreibt die Situation, dass Saul aufs Klo musste.“ (1.Sam 24). Übrigens hatte schon Luther das Verb štn in 1.Sam 25,22 u.ö. treffend mit „(an die Wand) pissen“ übersetzt (im 20. Jh. dann leider herausrevidiert, seit 2017 wieder drin). Sehr merkwürdig ist hier wieder die Übersetzung der BB: „Ich werde keinen von Nabals Leuten am Leben lassen, die da wie Hunde an die Wand pissen.“ Von Hunden ist im hebräischen Text gar nicht die Rede, der Stehpisser ist einfach der Mann (weil er’s kann). David schwört schlicht, alle Männer Nabals zu töten. Der Ausdruck wird auch an anderer Stelle als derbe Umschreibung von „männlich“ gebraucht.

Jene leicht bizarre Episode aus der Genese der BB beschreibt ein generelles Problem dieser Übersetzung. Verständlichkeit ist zweifellos für jede Übersetzung ein erstrebenswertes Ziel, das aber nicht impliziert, die Leserinnen und Leser für dumm halten oder verkaufen zu müssen. Bei der Übersetzung des AT ist das besonders fatal, denn anders als beim Neuen Testament sind die hebräischen Texte des Alten Testaments fast immer zugleich auch große Literatur. Deren poetische Kraft einzufangen, gelingt der BB in ihrem verdrucksten Bemühen, um jeden Preis leicht verständlich zu sein, so gut wie gar nicht. Das Übersetzungsprogramm der BB ist letztlich ein Irrweg.

In der Geschichte von Jael, die den Kopf des Feldhauptmanns (BB: Kommandant) Sisera an den Zeltboden nagelt (Richter 4), werden am Rand lauter entbehrliche Informationen gegeben, alle für das Verständnis der Geschichte wesentlichen aber fehlen. So heißt es zum Stichwort „Schlauch mit Milch“: Ein aus Tierhaut genähter Beutel. Relevant für die Geschichte ist aber, dass Jael Sisera Milch gibt anstelle des Wassers, um das er gebeten hatte, sodass sie das Gastrecht nicht gewährt, dass Sisera für sie unantastbar gemacht hätte. So befreit sich Jael selbst aus einer heiklen, für sie lebensbedrohlichen Situation. Wie die Lutherbibel verwendet auch die BB Zwischenüberschriften als Element der Leserlenkung. Über dieser Perikope steht: „Sisera wird von einer Frau erschlagen“. So rückt der Mann in den Mittelpunkt der Geschichte, deren Protagonistin doch Jael ist, die in der Überschrift zugleich ihres Namens beraubt wird. Außerdem wird das Motiv der Schande fortgeschrieben, dass ein Mann durch die Hand einer Frau stirbt, darum geht es in der Geschichte aber nur am Rande. Thematisiert wird es vielmehr zuvor im Zwiegespräch zwischen Deborah und Barak, der sich allein, ohne Deborah, nicht traut, in den Krieg zu ziehen.

Prophetische Bücher: In Amos 3,8 heißt es in der BB: „Der Löwe hat gebrüllt! Wer wird sich da nicht fürchten? Gott, der Herr, hat geredet! Wer wird da nicht zum Propheten?“ Der letzte Satz enthält aber einen Verbalausdruck, analog zu dem parallelen Satz zuvor: Wer wird da nicht prophetisch reden? So wird der Text unnötig nominalisiert (schlechtes Deutsch) und unnötig maskulinisiert, schließlich kennt die Bibel auch Prophetinnen. Prophet sein und prophetisch reden ist auch nicht dasselbe.

Die Revision der Lutherbibel 2017 hatte es sich zum Ziel gesetzt, antijudaistische Stereotype aus den Zwischenüberschriften zu tilgen, was auch weitgehend gelungen ist. Dort heißt es (wie schon in der Lutherbibel von 1984) über Amos 3: „Erwählung bewahrt nicht vor Gericht“. Die BB setzt über Amos 3: „Gottes Gericht über Israel“. Unfassbar.

Zur Erleichterung der Annäherung an die Bibellektüre enthält die BB am Anfang (S. 13-17) allerlei Zehnerlisten (Die 10 schönsten …), worüber sich natürlich trefflich spotten lässt. Besonders verstörend ist die Liste: „Die 10 verrücktesten Geschichten der Bibel“ (S. 13). In drei der zehn „verrücktesten“ (was immer das Kriterium dafür sein mag) Geschichten spielen Frauen eine wichtige Rolle. Platz 4: „Wer andern eine Grube gräbt: Ester 5-8“. Platz 3: „Ein verhängnisvoller Haarschnitt: Richter 16,4-31“. Es handelt sich um die Geschichte, in der die hinterhältige Philisterin Delila den Helden Simson durch eine neue Frisur seiner Kraft beraubt. Platz 6: „Noch böser als im Märchen: Die fiese Königin Atalja: 2. Könige 11“. Nach dem Tod des Königs Ahasja lässt die Königinmutter Atalja die Königsfamilie töten, um selbst Königin zu werden, ein in orientalischen Despotien durchaus übliches Verfahren, man denke nur an die Machtübernahme Davids oder den König Herodes mit dem Kindermord zu Bethlehem (nicht verrückt genug für die Top 10). Atalja wird dann ihrerseits durch eine Priesterintrige gestürzt und ein minderjähriger Knabe an ihrer Stelle als König installiert. Die Frau als Intrigantin, die Frau als Hexe: Verrückt ist vor allem diese Liste.

Laut Begleitmaterial zur BB wurde die Übersetzung wissenschaftlich begleitet. Das ist beunruhigend, denn begleitet heißt eben nicht: verantwortet. Und es ist verstörend, dass niemand, der das Projekt wissenschaftlich oder verlegerisch begleitet hat, wenigstens bei dem hier (in einer Bibelausgabe!) kolportierten antediluvianischen Frauenbild aufgemerkt und die Notbremse gezogen hat.

Laut Werbetext wurden für diese Gesamtausgabe auch die Psalmen und das Neue Testament „vollständig überarbeitet“. Das lässt Schlimmes befürchten. Eine Bibelübersetzung „für das 21. Jahrhundert“ im Geist des 19. kann nicht funktionieren. Sie ist für niemanden zum Gebrauch zu empfehlen.

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