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Sechs neue Blätter für den Psalmenkodex sa 2055 (BC sa 33) – Teil 1

Dieser Beitrag setzt die am 22.08.2019 angekündigte Blogreihe fort.

Das ist der erste Teil meiner Ausführungen über sechs neue Komplementblätter, die dem Psalmenkodex sa 2055 (LCBM) zuzurechnen sind. Der Pergamentkodex sa 2055, auch bekannt unter dem Sigel sa 33[1] (BC) aus dem Weißen Kloster, wurde von Karlheinz Schüssler bereits im Jahr 1996 in dem Band 1.2 der Biblia Coptica ausführlich beschrieben und ins IX. Jh. datiert. Daraus erfahren wir, dass von dem Psalmenkodex heute nur noch 19 Blätter erhalten sind und dass sein Umfang einst mehr als 120 Blätter ausmachte. Die bimodulare Schrift des Kodex sa 2055 charakterisiert sich durch 3-Strich , schmale und , mit schmalem oder bisweilen halbrundem , kurze , , ϥ und ein Alpha, dessen Schlaufe relativ groß ist und manchmal spitz, manchmal oval ausläuft. Kjima hat sehr oft eine größere Schlaufe, und der Strich verläuft nicht gerade oberhalb der folgenden Buchstaben, sondern fällt nach unten ab vor den folgenden Buchstaben. Die Formen von Alpha und Kjima heben das Schriftbild des Kodex sa 2055 aus den anderen bimodularen Handschriften des Weißen Klosters heraus. Die gut erhaltenen Blätter mit oberem oder unterem Rand weisen 29–30 Zeilen, gelegentlich aber auch 28 und 31 Zeilen pro Seite auf. Ausgerückte geflochtene und prächtig ornamentierte Initialen zieren fast jedes Blatt. Wunderschön gemalte Ranken und Tiere sind bei den Initialen und am Blattrand zu sehen. Die Paginierungs- und die Lagenzahlen sind unterschiedlich eingefasst. Hier ist eine Seitenzahl und hier eine Lagenzahl zu sehen. Deren Ornamentik ist ein wichtiges Merkmal und ein eindeutiger Hinweis für die Zuweisung unbekannter Blätter zu einem Kodex. Allerdings sind die Ecken des oberen Randes zu oft abgebrochen. Daher möchte ich drei weitere Besonderheiten hervorheben, die eine wichtige Rolle für die Zuweisung schlecht erhaltener Bruchstücke spielen werden.

  • Sätze und Verse werden regelmäßig mit einem schwarzen und einem roten Punkt beendet, wobei der rote Punkt etwas größer gezeichnet ist und an dem schwarzen direkt anliegt.
  • Wie oft bei den Psalmenkodizes haben die Kopisten die Angewohnheit, neue Verse oder Sätze mit einer neuen Zeile zu beginnen. So entstehen oft Zeilen mit sehr wenigen Buchstaben. Die Kopisten sind jedoch geneigt, solche fast leeren Zeilen zu vermeiden. Das hat zur Folge, dass manchmal die letzten Buchstaben eines Verses oder Satzes nicht auf einer neuen Zeile geschrieben werden, sondern darüber in der vorherigen Zeile. Im Kodex sa 2055 (BC sa 33) stehen die letzten Buchstaben eines Verses oder Satzes immer wieder in dem leeren Platz über der Zeile. Besonders auffällig dabei ist, dass diese Buchstaben zusätzlich mit einem schwarzen und einem roten Strich hervorgehoben werden.
  • Auf den erhaltenen Blättern ist ⲇⲓⲁⲯⲁⲗⲙⲁ regelmäßig in Rot geschrieben. Auch die ersten Verse jedes Psalmenkapitels, die als Titel zu den Kapiteln dienen, sind rot.
  • Gelegentlich steht ein doppelter schwarz-roter Supralinearstrich sowohl über nomina sacra als auch über Wörtern ohne sakrale Bedeutung.[2] M.E. gehört dieser schwarz-rote Supralinearstrich zur Dekoration, zumal er nicht nur bei nomina sacra sondern auch bei solchen Wörtern wie ⲧⲃ̄ⲧ „Fisch“ (Oxford, BL, Clar.Press.b.1, Fr.1, f. 2v), ⲧⲛ̄ϩ „Flügel“ (Rom, BAV, Borg. copto 109, cass. VI, fasc. 20 f. 1r), ⲙⲛ̄ⲧⲙⲛ̄ⲧⲣⲉ „Zeugnis“ (Ann Arbor, P.Mich.inv. 4940r), ⲙⲁⲥⲧⲓⲛⲝ̄ „Peitsche“ (Rom, BAV, Borg.copt. 109, cass. VI, fasc. 20 f. 4r) u.a. Verwendung findet.
  • Mit roter Farbe wurden gelegentlich die Schlaufen von Phi ausgefüllt.

Jede der oben beschriebenen Besonderheiten kommt in vielen anderen koptischen Handschriften vor. Den Charakter einer Handschrift macht jedoch die Gesamtheit aller einzelnen Merkmale aus. Man kann noch viel mehr Details über diesen Kodex mitteilen, aber ich hebe hier nur solche hervor, die für die Identifizierung der neuen Komplementblätter relevant sind.

Auf Grund ausführlicher paläographischer, kodikologischer und inhaltlicher Analysen weise ich die folgenden zehn Fragmente, die zusammen sechs Blätter ausmachen, dem Kodex sa 2055 (BC sa 33) zu. Es folgen die Signaturen in alphabetischer Reihenfolge der Aufbewahrungsorte:

  • Ann Arbor, UML, P.Mich.inv. 4940a–d
  • Cambridge, UL, Or. 1699Π iii
  • Oxford, BL, Clarendon Press b.1, Fr. 1, fol. 1–2
  • Oxford, BL, Ms. Copt. d. 265 (P), frg. 1–2 (olim Copt. g. 3)
  • Paris, BnF, Copte 102 fol. 16

Heute werde ich die drei Blätter konzis beschreiben, dessen Zuweisung zum Kodex sa 2055 über alle Zweifel erhaben ist und keine besonderen Beweise verlangt.

Die zwei Oxforder Blätter Clarendon Press b. 1, Fr. 1, fol. 1–2 stellen das innere Doppelblatt der ersten Lage des Kodex sa 2055 (BC sa 33) dar und sind momentan die ersten erhaltenen Blätter in der Kodexstruktur. Ihre Zugehörigkeit zum Kodex sa 2055 (BC sa 33) lässt keine Zweifel aufkommen, zumal Schrift, Dekoration von Paginierung und Initialen sowie Zeilenzahl mit denjenigen von Kodex sa 2055 völlig übereinstimmen. Das Blatt Clarendon Press b.1, Fr. 1, fol. 1 trägt Pag. 7/8 und beinhaltet Ps 6,6–11; 7,1–15. Das Blatt Clarendon Press b.1, Fr. 1, fol. 2 trägt Pag. 9/10 und beinhaltet Ps 7,16–18; 8,1–10; 9,1–10. K. Schüssler kannte die Signatur des Blattes, doch wegen fehlender Fotos erkannte er seine Zugehörigkeit zu seinem Kodex sa 33 nicht.


Der Bodleian Library danke ich herzlich für die Erlaubnis, die Fotos online zu stellen.

Das Cambridge-Blatt hat die Jahrhunderte fast ohne größeren Schaden überstanden. Nur die äußere untere Ecke ist beschädigt. Seine Zugehörigkeit zum Kodex sa 2055 (BC sa 33) ist ohne Zweifel gesichert und braucht keine weiteren Erläuterungen. Es ist interessant zu beobachten, dass auf diesem Blatt die Dekoration sowohl bei der Lagenzahl als auch bei der Seitenzahl identisch ist. Normalerweise unterscheiden sich Lagen- und Seitenzahlen in ihrer Dekoration, wie dies bei den Blättern aus Paris ersichtlich ist. Das Cambridge-Blatt trägt die Pag. ⲥ̄ⲑ̄/ⲥⲓ̄ (209/210) und ist das erste Blatt der Lage ⲓ̄ⲇ̄ (14). Seine Pergamentbeschaffenheit ist, wie typisch für das erste Blatt einer Lage, Haar-/Fleischseite. Es beinhaltet Ps 118,124–151. Obwohl die Signatur dieses Blattes seit langem bekannt ist, blieb seine Zugehörigkeit zum Kodex sa 2055 (BC sa 33) bis jetzt unerkannt.

Für ihre Hilfe beim Erstellen dieses und folgender Blogs möchte ich mich bei Heike Behlmer, Theresa Kohl, Malte Rosenau und Ulrich Schmid noch einmal ganz herzlich bedanken!

In der nächsten Woche folgt die Fortsetzung dieses Berichts über die Fragmente aus Ann Arbor.


[1] Karlheinz Schüssler, Das sahidische Alte und Neue Testament, Biblia Coptica 1.2, Wiesbaden 1996, 52–58, sa 33.

[2] Schüssler erwähnt die Benutzung der Überstriche folgendermaßen: „Überstrich regelmäßig, bei nomina sacra in Rot.“, vgl. Schüssler, Bibilia Coptica 1.2, 54. Allerdings sollte klargestellt werden, dass es in den bekannten Blättern insgesamt 20 Vorkommnisse von Wörtern mit roten Überstrichen gibt und nur zwei davon können als nomina sacra bezeichnet werden: ⲡⲛ̄ⲁ (4 Mal) und ⲡ̄ⲓ̄ⲏ̄ⲗ (3 Mal). Es ist nicht sicher, dass jedes nomen sacrum in dieser Handschrift mit einem schwarz-roten Überstrich gezeichnet wurde, zumal es ein ⲡⲛ̄ⲁ (Ps 142,10 in Paris, BnF, Copte 129.2 f. 89r) ohne dies gibt.

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