Die Kanones von Apa Joannes dem Archimandriten

(FWF-Projekt P22641-G19)

 

Die Bibliothek des Weißen Klosters in Sohag, Oberägypten, auch bekannt als das Kloster von Apa Schenute (ca. 361/62–465), ist eines der wichtigsten noch erhaltenen koptischen Kulturgüter aus dem 1. Jahrtausend n. Chr. Die uns heute überlieferten sahidischen Handschriften des Weißen Klosters umfassen ca. 10 000 Blätter, die aus der Zeit zwischen dem 8. und 12. Jh. datieren, und zeichnen sich durch besondere literarische Vielfalt aus. Dies macht sie zu einer äußerst wichtigen Quelle für die Koptologie. Im Zentrum des vor­liegenden Projekts stehen die Werke Apa Johannes’ des Archimandriten. Dieser wenig bekannte koptische Autor ist ein Nachfolger Apa Schenutes und Apa Besas, der bekanntesten Archimandriten des Weißen Klosters. Archäologische und liturgische Quellen lassen vermuten, dass Apa Johannes dem Kloster entweder im 6. oder im 7. Jh. vorstand.

Apa Johannes richtete seine Kanones an die Mitglieder seiner Klostergemeinschaft. Diese beinhalteten Er­mahnungen und Warnungen an Sünder. Einige thematisierten das Gebet, das Fasten und den Gehorsam, während andere Tugenden auflisteten, durch die eine Belohnung von Christus erlangt werden kann.

Von Apa Johannes sind keine weiteren Werke, wie Reden oder Briefe, überliefert. Höchstwahrscheinlich ist dies der Situation geschuldet, dass die Manuskripte unzureichend auf uns gekommen sind.  

Die Kanones Apa Johannes’ sind in Pergamenthandschriften des Weißen Klosters aus dem 8. bis 11. Jh. erhalten. Bislang sind von seinen Werken 206 Blätter oder Fragmente bekannt, welche sich auf fünf verschiedene Kodizes verteilen – MONB.FA, MONB.OD, MONB.XQ, MONB.YI, MONB.ZK (für die Sigla siehe Corpus dei Manoscritti Copti Letterari, Tito Orlandi). Die Kodizes MONB.XQ und MONB.ZK (in unimodularer Schrift) lassen sich datieren in das 8. bis 9. Jh., während MONB.FA, MONB.OD und MONB.YI (in bimodularer Schrift)  aus dem 10. bis 11. Jh. stammen.

Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung sowohl der Werke des wenig bekannten Autors Apa Johannes des Archimandriten als auch der Struktur und Sprache des Genre „Kanon“ in der koptischen christlichen Literatur des ersten Jahrtausends. Erstmals wird es eine vollständige diplomatische Edition samt englischer Übersetzung der Kanones des Apa Johannes geben. Das Projekt stellt einen weiteren wichtigen Schritt in der Erforschung, Bewahrung und Erhellung des Erbes des Weißen Klosters, aber auch der koptischen Tradition als Ganzes dar. Zu guter Letzt stellt das Projekt wichtige Daten für die Digital Humanities im Bereich der Koptologie zur Verfügung.

Die Forschungsergebnisse werden in einer Monographie zu Apa Johannes samt Edition und Untersuchung seiner Kanones in der Serie Orientalia – Patristica – Oecumenica der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die diplomatische Edition der Kanones kann bereits jetzt online konsultiert werden:

http://coptot.manuscriptroom.com/web/apa-johannes/codices .

Ferner werden alle Daten zwei weiteren koptologischen digitalen Projekten übermittelt: Coptic Scriptorium http://copticscriptorium.org und KELLIA http://copticscriptorium.org/kellia .

Forschungsstätte, an der das Projekt von 2011 bis 2015 durchgeführt wurde, war der Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte, der eng mit dem Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens kooperiert; beide sind Einrichtungen der Paris-Lodron-Universität Salzburg.

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London, BL, Or. 3581A.133 recto

© 2016 Diliana Atanassova